Mit diesem Artikel wollen wir einen praxisbezogenen Blick auf die mit der Umsetzung der Regelungen des StaRUG verbundenen Herausforderungen werfen und Hinweise auf geeignete Maßnahmen und Tools geben.
Praxisproblem
§ 102 StaRUG
Mit dem bereits zum 1. Januar 2021 in Kraft getreten Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) sind neue und weitreichende Verpflichtungen für die Geschäftsleitung von Unternehmen und deren Steuerberater*innen gesetzlich kodifiziert worden.
Hintergründe
Das StaRUG ist zunächst einmal ein Gesetz, welches vor allem die Geschäftsleitung von Unternehmen stärker in die Pflicht nimmt. So hat der Gesetzgeber in Teil 1 dieses Gesetzes eine allgemeine und rechtsformübergreifende Regelung zur Implementierung einer Krisenfrüherkennung und eines Krisenmanagements bei haftungsbeschränkten Rechtsträgern geschaffen. Werden bestandsgefährdende Entwicklungen erkannt, müssen gemäß § 1 Satz 2 StaRUG geeignete Gegenmaßnahmen ergriffen und die Überwachungsorgane unterrichtet werden. Die Überwachungsorgane müssen auf die Implementierung eines solchen Systems hinwirken (§ 1 Abs. 1 Satz 3 StaRUG).
Sehr deutlich formuliert das Gesetz, dass es sich hierbei um eine fortlaufende Verpflichtung handelt, sodass davon auszugehen ist, dass eine einmalige Betrachtung von bestandsgefährdenden Risiken im Rahmen des Jahresabschlusses nicht ausreichen wird.
Man darf annehmen, dass der Gesetzgeber bei der Formulierung des § 1 StaRUG vom größten anzunehmenden, bestandsgefährdenden Risiko, der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens, ausgegangen ist. Der Nachweis, dass dieses größte anzunehmende Risiko, die Illiquidität, weder eingetreten ist noch im Planungshorizont droht, ist eine kurz- und mittelfristige Liquiditätsplanung. Insbesondere bei der Liquidität ist der Planungshorizont sehr wesentlich. Für die Beurteilung, ob das Unternehmen eine drohende Zahlungsunfähigkeit im Sinne von § 18 InsO bevorsteht, muss der Planungshorizont mindestens 24 Monate umfassen.
Für die Steuerberater, die diese Systeme und Planungen für die Unternehmen häufig erstellen und pflegen, hat der Gesetzgeber die mit dem § 102 StaRUG Hinweispflichten auf bestandsgefährdende Entwicklungen noch einmal verschärft.
Nach § 102 StaRUG müssen u.a. Steuerberater, die einen Jahresabschluss für einen Mandanten erstellen, diesen auf das Vorliegen eines möglichen Insolvenzgrundes nach den §§ 17 bis 19 der Insolvenzordnung und die sich daran anknüpfenden Pflichten der Geschäftsleiter und Mitglieder der Überwachungsorgane hinweisen, wenn entsprechende Anhaltspunkte offenkundig sind und sie annehmen müssen, dass dem Mandanten die mögliche Insolvenzreife und die damit verbundenen Pflichten nicht bewusst sind.
Ziel dieser Neuregelung ist es, dem kriselnden Unternehmen durch eine frühzeitige Warnung die Möglichkeit zu geben, Sanierungsmaßnahmen, sei es nach dem StaRUG oder auf andere Weise, zu ergreifen.
Stellt der Berater fest, dass möglicherweise ein Insolvenzgrund vorliegt, so hat er sich zu fragen, ob dies auch dem Mandanten bewusst ist. Hier kommt es nicht nur darauf an, ob der Mandant bzw. dessen Geschäftsleitern die tatsächlichen Umstände bekannt sind, aus denen sich die mögliche Insolvenz ergeben. Der Berater muss auch einschätzen, ob der Mandant in der Lage ist, aus diesen Umständen die richtigen rechtlichen Schlussfolgerungen zu ziehen. Es kommt also jeweils auf die Tatsachenkenntnis und die rechtliche Urteilsfähigkeit des Mandanten an. Nur dann, wenn der Berater davon ausgehen darf, dem Mandanten sei die mögliche Insolvenz ebenso bekannt wie seine daraus folgenden Pflichten, kann der Berater auf den Hinweis verzichten.
Die Hinweispflicht beschränkt sich nicht allein auf das mögliche Vorliegen eines Insolvenzgrundes, sondern auch auf die Pflichten, die sich daraus für die Geschäftsleiter und Überwachungsorgane des Mandanten ergeben. Ist der Mandant insolvenzantragspflichtig nach § 15a InsO, ist er auf diese Pflicht hinzuweisen, ebenso auf die Zahlungsverbote nach § 15b InsO. Im Einzelfall können noch weitere Pflichten bzw. Verbotsnormen hinzukommen, beispielsweise kann auch ein Hinweis auf die Insolvenzstraftatbestände der §§ 283 ff. StGB notwendig sein. Schließlich, und so schließt sich der Kreis, sollte der Berater auch auf die Sanierungsmöglichkeiten nach dem StaRUG hinweisen.
Verletzt der Berater seine Hinweispflicht, so kann dies Schadensersatzansprüche des Mandantenbegründen. Dabei wäre der zu ersetzende Schaden danach zu bemessen, wie das Vermögen des Mandanten – bzw. die Insolvenzmasse – stünde, wenn der Berater rechtzeitig und zutreffend gewarnt hätte. Das kann bei verspätetem Insolvenzantrag schnell zu hohen Schadensersatzforderungen führen.
Im Falle einer späteren Insolvenz wird ein Insolvenzverwalter prüfen, ob der Steuerberater seinen Hinweis- und Warnpflichten nachgekommen ist und diesen ggf. in Haftung nehmen. Die Verletzung der Pflichten nach § 102 StaRUG begründet einen Schadensersatzanspruch des Mandanten gegenüber dem Steuerberaterbzw. Berufsträger (so bereits BGH, Urt. v. 26.01.2017 – IX ZR 285/14). Um eine diesbezügliche Haftung zu vermeiden, ist jedem steuerlichen Berater angeraten, diesen Hinweis- und Warnpflichten sorgfältig nachzukommen und zu dokumentieren.
Das Grundsatzurteil des BGH zur Verschärfung der Steuerberaterhaftung (BGH, Urteil vom 26.1.2017 – IX ZR 285/14), wonach den mit der Erstellung eines Jahresabschlusses beauftragten Steuerberater
-
auch außerhalb des beschränkten Mandatsgegenstandes eine Pflicht trifft, auf eine mögliche Insolvenzreife hinzuweisen und zu warnen,
-
soweit die Gefahren dem Steuerberater bekannt oder für ihn offenkundig sind oder sich ihm bei ordnungsgemäßer Arbeit aufdrängen und
-
wenn er Grund zu der Annahme hat, dass sein Auftraggeber sich der Gefahr nicht bewusst ist,
sollte mittlerweile allen Steuerberater*innen geläufig sein.
Diese Rechtsprechung wurde in der Gesetzesbegründung zu der seit dem 1.Januar 2021 geltenden Regelung des § 102 StaRUG explizit erwähnt. Danach gelten diese von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze berufsstandübergreifend für sämtliche Berufsangehörige, die mit der Erstellung von Jahresabschlüssen im Rahmen von Mandatsbeziehungen betraut sein können.
Problemstellung
Nach dem § 102 StaRUG gilt, dass die Hinweispflicht die Berater nur dann trifft, wenn sie mit der Erstellung eines Jahresabschlusses beauftragt sind. Ferner kann der Berater erst ab dem Moment zum Hinweis verpflichtet sein, wenn ihm die relevanten Informationen auch vorliegen und der Mandant davon ausgehen darf, der Berater habe mit der Abschlusserstellung begonnen und treibe sie zügig voran.
Die Hinweispflicht greift dann ein, wenn offenkundige Anhaltspunkte für das mögliche Bestehen eines Insolvenzgrundes vorliegen. Offenkundig ist dabei nicht daran zu messen, ob der mögliche Insolvenzgrund für jedermann ersichtlich ist. Denn nicht umsonst nimmt § 102 StaRUG gerade besonders ausgebildete und sachkundige Berater in die Pflicht, die ja gerade auch wegen dieser Expertise mit der Abschlusserstellung beauftragt werden.
Vor dem Hintergrund des Grundsatzurteils des BGH zur Verschärfung der Steuerberaterhaftung (BGH, Urteil vom 26.1.2017 – IX ZR 285/14), stellt sich eine besondere Herausforderung, wenn Steuerberater*innen die Bücher des Unternehmens führen. Bei der ordnungsgemäßen Durchführung der Buchführungsarbeiten darf angenommen werden, dass sich dem sachkundigen Berater das Vorliegen eines möglichen Insolvenzgrundes nach den §§ 17 bis 19 der Insolvenzordnung bereits unterjährig und nicht erst im Zeitpunkt der Erstellung des Jahresabschlusses aufdrängen muss (vgl. Arens, GWR 2021, S. 64, 66; a. A. Onusseit/Schröder, ZInsO 2017, S.1868, 1872f). Umso mehr gilt dies, wenn angenommen werden kann, dass der Steuerberater faktisch die Rolle des externen Controllings für das Mandantenunternehmen übernommen hat.
Doch wie soll eine Kanzlei fortlaufend (monatlich) im Zweifel hunderte von Unternehmensmandate auf das Vorliegen eines möglichen Insolvenzgrundes prüfen. Dazu wäre ein kontinuierliches Monitoring der Eigenkapitalentwicklung und des Bestands an liquiden Mitteln im Verhältnis zu den Verbindlichkeiten über alle Mandate notwendig.
Bestehende Systeme für das Kanzleirechnungswesen vermögen dies heute nicht zu leisten. Damit bliebe nur die Option einer zeitintensiven manuelle Prüfung der monatlichen Buchhaltung durch fachkundige Personen, wenn man sich nicht einem erhöhten Haftungsrisiko aussetzen möchte.
Lösung für die Praxis
Das Angebot an Software-Lösungen zur Unterstützung von Steuerkanzleien ist breit und reicht von vollumfänglichen Kanzleisystemen bis hin zu Speziallösungen. Umso überraschender war es festzustellen, dass derzeit lediglich eine einzige Software-Lösung über den notwendigen Funktionsumfang verfügt, mandantenübergreifend kritische Eigenkapital- und Liquiditätsentwicklungen zu überwachen und Hinweise auf eine mögliche Insolvenznähe bei Mandantenunternehmen zu geben. Bei dieser Software handelt es sich um CANEI.tax.
CANEI.tax verbindet sich über die DATEVconnect Schnittstelle mit dem Kanzleirechnungswesen und prüft automatisiert alle aktiven Mandanten im Rechnungswesen auf steuerliche, betriebswirtschaftliche und eben risikorelevante Auffälligkeiten. So werden u.a. die Entwicklung des Eigenkapitals, das Verhältnis von liquiden Mitteln zu Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung sowie ein Insolvenzfrühwarnindikatorüberwacht und identifizierte Auffälligkeiten in einem übersichtlichen Dashboard zur Ansicht gebracht.
Nähere Informationen zur Software sowie die Möglichkeit zu einem kostenlosen Test finden Sie hier: https://www.canei.tax/tax
Belehrungsschreiben an Mandanten in der Krise
Die Kanzlei Nickert Rechtsanwälte und Steuerberater in Offenburg nutzt das nebenstehende Muster eines Belehrungsschreibens in der eigenen Kanzlei und stellt dieses auf der eigenen Web-Seite anderen Steuerberater*innen kostenlos zur Verwendung zur Verfügung.